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Friday, April 27, 2007

Antikapitalistische Demagogen

Gewerkschaften gehören zum Feindbild der NPD. Die rechtsextreme Partei will selbst für die „Interessen aller deutschen Arbeiter kämpfen“.

Wenn Neonazis am 1. Mai auf die Straße gehen, wollen sie sich auch als die besseren Arbeitnehmervertreter gerieren. Die Gewerkschaften haben sie längst abgeschrieben. Beispielhaft dafür steht der Aufruf zur Dortmunder Demonstration, vorbereitet von parteilosen Neonazis und unterstützt durch die NPD. Gewerkschaften sind demnach „Helfershelfer“ von Kapital und Herrschenden: „Die Knechte des Kapitals, die Räder, die dieses System am Laufen halten, haben nur das Interesse, ihre eigene Position zu sichern! Solange ein Schulterschluss mit den Vasallen und Apologeten der Ausbeutung gesucht wird, solange kann soziale Gerechtigkeit nur eine Worthülse bleiben.“

Gewerkschafter gehören zum Feindbild von Neonazis. Nicht nur, aber auch, weil manche von ihnen als Gegendemonstranten auf der Straße zu finden sind, wenn Rechtsextremisten aufmarschieren wollen. Als 1000 Essener am 28. April gegen eine Kundgebung der NPD unter dem Motto „Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre“ protestierten, kommentierte das ein Berichterstatter des Parteinachwuchses JN so: „Gerade Gewerkschaften hätten die Thematik begrüßen müssen und zeigen doch wieder einmal ihr wahres Gesicht. Von der Interessenvertretung des kleinen Mannes ist keine Spur zu sehen.“ Der Junge Nationaldemokrat hat ein „großes“ Vorbild: NPD-Chef Udo Voigt fabulierte vor sechs Jahren im Parteiblatt „Deutsche Stimme“ (DS): „Die einst große Arbeiterbewegung der Gewerkschaften ist tot.“ Und auch den 1. Mai wollte er ihnen streitig machen: Der gehöre „nicht den Gewerkschaften, sondern dem Arbeiter“ – und dessen wahrer Sachwalter ist aus Voigts Sicht nun mal die NPD. Entsprechend gilt es auch, den 1. Mai für sich zu okkupieren. Im vorigen Jahr rief die Partei zur Demonstration in Rostock auf; etwa 1500 Teilnehmer wurden gezählt. Zwei Jahre zuvor waren es in Berlin noch 2300 bei einem Aufmarsch der NPD gewesen. Rein zahlenmäßig hält sich der Erfolg des Konzepts, den 1. Mai zu besetzen, in Grenzen. In den letzten drei Jahren kamen bundesweit stets „nur“ zwischen 2400 und 3400 Rechtsextremisten zu den verschiedenen Veranstaltungen zum „Tag der nationalen Arbeit“.

Wenn die NPD als Sachwalter der Arbeiter fungiert, wie von Voigt behauptet, ist es nur logisch, dass Gewerkschaften in der Programmatik der NPD so gut wie keine Rolle spielen. Im 20-seitigen Parteiprogramm taucht das Stichwort ein einziges Mal auf: im Kapitel „Deutschland muss wieder deutsch werden“, wo es heißt: „Im Zusammenspiel von Großkapital, Regierung und Gewerkschaften wurden Millionen von Ausländern wie Sklaven der Neuzeit nach Deutschland geholt.“ Ansonsten? Fehlanzeige. Im 80-seitigen Aktionsprogramm der NPD ist von den Arbeitnehmerorganisationen überhaupt nicht die Rede.

„Systemfromme Nutznießer des Kapitalismus“

Wie in der Partei über Gewerkschaften gedacht wird, verraten eher Einträge im sehr NPD-nahen „Nationalen Forum Deutschland“. Dort entwickelte sich in diesem Frühjahr eine Diskussion zum Thema. Die Gewerkschaften seien „der Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern nicht im Geringsten nachgekommen ... Auch beim Sozialabbau haben diese Heuchler umfangreich mitgewirkt.“, schrieb der Initiator dieser Diskussion. Es folgte ein Abgesang auf die Arbeitnehmerorganisationen. „Gewerkschaften wurden von der Kapitalseite ins Leben gerufen, um eine scheinbar legitimierte und für die Interessen der Arbeiter berufene Organisation zu haben, die für Ruhe unter den Arbeitern sorgt, aber die hellen Köpfe der Arbeiterführer mit hoch dotierten Posten ruhig zu stellen versucht. Was ja auch wunderbar funktioniert.“, meinte einer. Ganz offen in die Tradition des Nationalsozialismus stellte sich ein Autor mit Namen „Naturfreund“: „Unter einer für das Volk arbeitenden Regierung ist jede Gewerkschaft überflüssig.“

Geht es nach dem Münsteraner NPD-Kreisgeschäftsführer Markus Pohl, ist sie nicht erst überflüssig, wenn eine „nationale Regierung“ an der Macht ist, sondern bereits heute. „Anders als die Gewerkschaften, welche ihre Mitglieder auf zahlreichen Kundgebungen am 1. Mai, bei Gratis-Bier und laschen Reden, bei Laune halten möchten, wird die NPD in Vechta und in vielen anderen deutschen Städten für die Interessen aller deutschen Arbeiter kämpfen!“, schrieb er in einem offenen Brief, nachdem sich gegen die Ankündigung einer NPD-Demo zum 1. Mai in der niedersächsischen Provinzstadt Protest aus den Reihen des DGB geregt hatte. Pohl macht den Gewerkschaften aus extrem rechter Sicht ein Sündenregister auf: Sie hätten „kommentarlos dabei zugesehen, wie die Etablierten in den sechziger Jahren Hunderttausende von Ausländern als ,Gastarbeiter’ ins Land lockten und diese langsam aber sicher die Deutschen vom Arbeitsmarkt verdrängten. Anstatt die mittlerweile 15 Millionen in Deutschland lebenden ,Menschen mit Migrationshintergrund’ als Konkurrenz für den deutschen Arbeiter zu sehen, registrieren die Gewerkschaften diese als potenzielle Mitglieder und somit Beitragszahler ihrer eigenen Organisation.“

Der DGB als „Handlanger der Globalisierung“

Dass der Traum von einem „nationalen Gewerkschaftsbund“ in der Bundesrepublik reichlich irreal ist, hatten Rechtsextremisten spätestens in den 90er Jahren erfahren müssen. Seit vielen Jahren hatten sich NPD-Mitglieder in dem vor allem in NRW tätigen „Deutschen Arbeitnehmerverband“ (DAV) breit gemacht. NPDler saßen im Bundesvorstand, in der DAV-Mitgliederzeitschrift „Deutsche Arbeitnehmer-Zeitung“ (DAZ) tauchten ausländerfeindliche Sprüche und Hetzparolen auf. Den erträumten Durchbruch in der Arbeitnehmerschaft schaffte der DAV nicht. Statt dessen geriet er ins Blickfeld von Gewerkschaftern, die gegen DAV-Treffen protestierten, und Verfassungsschützern, die den Verein in ihre Jahresberichte aufnahmen. 1997 traten die bekanntesten NPD-Protagonisten im DAV, der frühere nordrhein-westfälische NPD-Landeschef Peter Markert und Lothar Ehrlichmann, von ihren Funktionen zurück.

Im NPD-Organ „Deutsche Stimme“ setzte Ehrlichmann später seinen Feldzug gegen den DGB fort. „Im Verlauf der Nachkriegsjahrzehnte mutierten die Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften von ursprünglich überwiegend marxistisch indoktrinierten ,Klassenkämpfern’ zu systemfrommen Nutznießern des Kapitalismus ... Die Gewerkschaften degenerierten schließlich zu bloßen ,Hiwis’ der Finanz- und Konzernkapitalisten.“ Sie hätten mitgewirkt an der Vermögensverteilung „von den Schaffenden zu den Raffenden“, schrieb er und bediente sich dabei des NS-Vokabulars. Er warf ihnen vor, ihre Tarifpolitik habe „einen Rationalisierungsschub nach dem anderen“ bewirkt – mit der Folge von Arbeitslosigkeit und Produktionsverlagerungen ins Ausland. Trotz seiner teilweise antikapitalistischen Attitüde klingt vieles bei Ehrlichmann, als sei es aus älteren Broschüren von Arbeitgeberverbänden abgeschrieben. Da ist die Klage über vom DGB „ferngesteuerte“ Betriebsräte, über eine angeblich enorme politische Machtfülle durch eine überproportionale Vertretung im Bundestag, über Verflechtungen mit der SPD, die den Anspruch einer Einheitsgewerkschaft zur „sinnwidrigen Selbstbezeichnung“ mache.

Der bayerische NPD-Funktionär Roland Wuttke schließlich macht schon in der Titelzeile eines DS-Beitrags deutlich, was die Partei an den Gewerkschaften stört: „Das falsche Spiel der Gewerkschaften – Anstatt deutsche Arbeitnehmerinteressen zu verteidigen sind die DGB-Gewerkschaften Handlanger der Globalisierung.“ Gewerkschaften hätten sich vom „kapitalistischen System korrumpieren“ lassen: „Sie lassen das unwürdige Spiel der Konzerne bei der Vernichtung und Verlagerung von deutschen Arbeitsplätzen gewähren und sich auf Nebenkriegsschauplätze abdrängen, wie z.B. der Erringung weniger Lohnprozente für Arbeitsplatzbesitzer oder jenen fatalen ,Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit’ in den Betrieben.“ Damit nicht genug, attestiert Wuttke den Gewerkschaften als „Spießgesellen der Globalisierung“ auch noch eine „aktive Rolle bei der Ausplünderung und Unterdrückung Deutschlands“.

Im Ton gemäßigter gab Sascha Roßmüller in der DS (Ausgabe 4/2006) den Gewerkschaften Empfehlungen: „Die Gewerkschaften wären gut beraten, nationale Politikansätze aufzugreifen und sich somit als wirksames Instrument zur Durchsetzung gemeinschaftlicher Selbstbestimmung gegen die Kompetenzanmaßung der internationalen Finanzaristokratie zu begreifen.“ Diesen Ratschlag hin zur Volksgemeinschaftsideologie und hin zum Nationalismus werden die Gewerkschaften nicht befolgen. Und auch die Träume von Neonazis – gehegt in den Hochzeiten des Hartz-IV-Protests –, eigene Blöcke in gewerkschaftlichen Demonstrationen bilden zu können, sind ausgeträumt. Bleibt noch die Möglichkeit, mit eigenen Forderungen die Gewerkschaften zu übertrumpfen. Beispiel Mindestlohn: Während die Gewerkschaften auf 7,50 Euro orientieren, fordert die sächsische NPD 8,80 Euro. Die Zahlensymbolik mag ihr sehr recht sein.

Tomas Sager

Quelle
Bnr [27.04.07]