NPD startet "heiße Phase" in Bad Pyrmont
einstimmen. Ihr Ziel ist der Einzug in den niedersächsischen Landtag am 27. Januar.
Dazu hat sie eine 20 Kandidaten umfassende Landesliste aufgestellt. Außerdem konnte die NPD in knapp der Hälfte der Wahlkreise genug UnterstützerInnenunterschriften für den Antritt mit Direktkandidaten sammeln. ...lesen
Siehe auch:
NPD aus Pyrmont und Hameln vertrieben [06.01.08]
DGB protestiert [07.01.08]
Nationaler Planungsfehler (Patrick Kallweit)
Mit einer „PR-Aktion“ wollten Rechtsextremisten den „Medienboykott“ unterlaufen. Veranstaltungsort war ein stark heruntergekommenes Fachwerkhaus.
Die vollmundig angekündigte Veranstaltung am 6. Januar 2008 sollte die „heiße Wahlkampfphase“ im niedersächsischen Wahlkampf einläuten. Bisher war der Wahlkampf der Neonazis eher flau angelaufen, kaum Infostände, wenig Plakate in den Straßen. Mit der Vorführung einer DVD mit dem Titel „offensiv“ wollten Parteistrategen nun ein „neues Kapitel in der Wahlkampfführung“ aufschlagen, außerdem sollten alle 42 Direktkandidaten der Presse vorgestellt werden. Eigens dafür waren der Bundesvorsitzende Udo Voigt, Stefan Köster, NPD-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, Bundesvorstandsmitglied Jörg Hähnel und der Hamburger Christian Worch nach Niedersachsen gereist.
„Aus Sicherheitsgründen“ wurden akkreditierte Medienvertreter gewohnt konspirativ für Sonntagmittag zum Bahnhof in die Kurstadt Bad Pyrmont bestellt. Dort fand bereits eine Gegendemonstration des „Bündnis gegen Rechts“ und des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit rund 300 Teilnehmern statt. Die NPD ließ auf sich warten. Inzwischen war durchgesickert, dass sich rund 20 Neonazi-Aktivisten auf dem Hof des Gebäudekomplexes von Jürgen Rieger im nahen Hameln versammelt hatten. Tage zuvor waren Handwerksarbeiten an dem als baufällig eingestuften ehemaligen Kinocenter durchgeführt worden. Polizei und Stadt Hameln ließen sich jedoch von den angetretenen NPD-Leuten nicht irritieren und sprachen erneut ein Nutzungsverbot wegen baurechtlicher Mängel aus. Das Gebäude verfüge dementsprechend nicht über die nötigen Sicherheits- und Brandschutzvorrichtungen, ließ die Stadtverwaltung verlauten. Beamte setzten Platzverweise gegen die Neonazis durch.
Rieger hatte den Gebäudekomplex 1999 erworben. Unter anderem weil die Decke im Kinosaal einzustürzen drohte, sprach die Stadt Hameln ein Nutzungsverbot aus. Zu der Immobilie in der Deisterstraße gehören acht Wohnungen und fünf kleine Ladengeschäfte. Am Sonntag zeigten sich einige der glatzköpfigen Mieter mit ihren Familien. Sie beschimpften Gegendemonstranten, die von Bad Pyrmont nach Hameln gewechselt waren. Als Hausmeister soll in den letzten Monaten Michael Homeister aufgetreten sein. Der als gewaltbereit geltende Neonazi war bereits als Söldner in Kroatien aktiv. Die meisten Ladengeschäfte in dem Komplex sind leer, in einem Laden werden gebrauchte Artikel angeboten. Rieger versuchte die Immobilie zunächst über ebay für 2,5 Millionen Euro zu verkaufen. Inzwischen scheint er seine Meinung geändert zu haben, auf jeden Fall steckte er eine Menge Geld in Sanierungsarbeiten am Gebäude.
Für die geschlossene NPD-Veranstaltung mit rund 100 geplanten Teilnehmern reichten die Handwerksarbeiten jedoch nicht aus. Missmutig disponierte die Partei um und Pressesprecher Patrick Kallweit informierte die Medienvertreter am Sonntagmittag kleinlaut, es gehe jetzt in den etwa 100 Kilometer entfernten „Raum Osnabrück“. Von den Fernsehteams, Zeitungsvertretern und Radiojournalisten spielte aber keiner mehr mit. Dabei wollte die NPD gerade mit dieser PR-Aktion und der neuen DVD, die in 20 000 Stück Auflage verteilt werden soll, den „Medienboykott“ unterlaufen. Bundeschef Udo Voigt hatte angekündigt: „Wenn unsere Partei von den Fernsehanstalten nicht erwähnt wird, nehmen wir den direkten Weg zu den Fernsehapparaten der Menschen“.
Die einschlägige Filmvorführung fand schließlich im so genannten „NPD-Heim“ in Georgsmarienhütte bei Osnabrück in vertrauter Runde statt. Das heruntergekommene Fachwerkhaus in einer Villengegend im Ortsteil Harderberg hätte auch kaum als Repräsentationsobjekt gedient. Zerschlagene Fensterscheiben, notdürftig mit Holzlatten abgedichet und überall blätterte der Putz von den Wänden. Die Hausruine gehörte dem kürzlich verstorbenen „Urgestein der volkstreuen Bewegung“ Franz-Josef Möllenkamp. Anwohner hatten bereits die Hoffnung gehegt, dass mit seinem Tod auch der braune Spuk ein Ende fände. Denn immer wieder finden dort Neonazi-Veranstaltungen statt. Im Sommer hatte die „Heimattreue Deutsche Jugend“ dort ein Ausweichquartier für ihre Sonnenwendfeier gefunden. Bereits zwei Tage vorher, am Freitag, tagten dort NPDler um Voigt und Köster zu Vorgesprächen und nettem Beisammensein mit regionalen NPD-Kandidaten.
Vor dem Haus patroullierten Mitglieder von Manfred Börms Ordnungsdienst, sie trugen Handschuhe und schützten das Gebäude vor allzu neugierigen Blicken. Ihr Verhalten lud die wenigen nachgereisten Journalisten nicht zum Eintreten ein. Vor dem Haus parkte der VW-Pritschenwagen eines Lüneburger Stukkateurbetriebes mit stapelweise Plakatträgern auf der Ladefläche. Nach der Filmvorführung und den Reden von Voigt und Andreas Molau stellten sich die Kandidaten an, um ihr Werbematerial ausgehändigt zu bekommen. Auf die Frage, ob die Veranstaltung nicht dilettantisch organisiert, beziehungsweise das Ganze peinlich für die NPD sei, antwortete Spitzenkandidat Andreas Molau, in schwarzem Anzug mit knallroter Krawatte, leicht verlegen: „Für Sie vielleicht. Wir haben die Veranstaltung ja durchgezogen.“ Bezüglich ihres Planes, trotz Nutzungsverbotes in Hameln tagen zu wollen, wiegelte Molau ab: „Wir hatten andere Informationen.“ Auch der Auftritt von Graf Friedrich-Werner von der Schulenburg nebst Gattin in Georgsmarienhütte passte nicht so ganz ins inszenierte Bild. Von dem Hamelner Juwelier, und weitläufigem Verwandten eines 1944 hingerichteten Widerstandskämpfer, distanziert sich mittlerweile die adelige Verwandtschaft, weil er „für eine so grauenhafte Partei kandidiert“.
<< Home