Chic sein ist nicht alles
Bilanzen 2007. Heute: Antifaschismus.
Angesichts wachsender Gefahr von rechts fällt die fehlende bundesweite Vernetzung der Nazigegner immer stärker ins Gewicht
Die antifaschistische Bewegung kann als die subversivste und dynamischste Strömung bezeichnet werden, die die Linke in der Bundesrepublik zu bieten hat. Auch an Chic mangelt es ihr nicht. Auf Jugendliche hat sie eine Sogkraft, von der linke Parteien und andere Organisationen nur träumen können. Daran hat sich auch 2007 nichts geändert. Ein Grund zum Feiern ist das angesichts der wachsenden Gefahr von rechts durch steigende Brutalität und steigenden Organisierungsgrad nicht. Die Ankündigung von Neofaschisten, die Ehrung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts im Januar in Berlin, und damit die größte Manifestation der Linken in diesem Land, stören zu wollen, unterstreicht die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit.
Aber seit dem Antifakongreß 2001 in Göttingen fehlt der Bewegung eine bundesweite Struktur. Zwar gibt es in der gesamten Republik Gruppen und Bündnisse, die die Neofaschisten in ihrem Umkreis im Visier haben und mit Demonstrationen und Aktionen auf sie aufmerksam machen. Ein Austausch und inhaltliche Diskussionen über Strategien finden allerdings selten statt. Das Ergebnis: Nach wenigen Jahren kehren viele der Bewegung den Rücken. Auf ein weiteres Problem machte das Antifaschistische Infoblatt (AIB) 2007 aufmerksam: Die Antifa erreicht in der Regel nur dann eine umfassende bundesweite Mobilisierung, wenn Eventcharakter und Erfolge progammiert sind. Ein Ereignis wird also nur dann zum Pflichttermin, wenn sich über die Jahre herumgesprochen hat, daß Action angesagt ist.
Ein Beispiel für diese Beobachtung ist Leipzig: Neonaziaufmärsche stoßen hier stets auf derart geballten Widerstand, daß für die Rechten kein Durchkommen ist. Bundesweit fahren Hunderte mit gecharterten Bussen und Bahnen in die Stadt, wenn sich der Kameradschaftsaktivist Christian Worch wieder einmal mit 50 »Kameraden« angekündigt hat. Bei zahlenmäßig und politisch relevanteren Ereignissen sieht die Gegenwehr häufig ganz anders aus: Genannt seien die teilweise von 2000 Neonazis frequentierten »Heldengedenken« im brandenburgischen Halbe, die alljährlichen Massenveranstaltungen von Alt- und Neonazis anläßlich der alliierten Bombenangriffe im Februar 1945 auf Dresden oder die von alten braunen Verbänden organisierten Gebirgsjägertreffen im bayerischen Mittenwald. Hier sind die Antifaschisten aus der näheren Umgebung häufig auf sich allein gestellt.
Wehren mußte sich die antifaschistische wie die gesamte linke Bewegung in diesem Jahr gegen zunehmende Repression, Polizeigewalt und staatliche Schnüffelaktivitäten. Zahlreiche 129-a-Verfahren wurden eingeleitet und gegen Hunderte Teilnehmer der Anti-G-8-Proteste im Sommer in Heiligendamm wurden Ermittlungen eingeleitet, bei denen rechtsstaatliche Prinzipien völlig außer acht gelassen wurden. Beispielhaft für staatliche Willkür war der Prozeß gegen den Berliner Antifaschisten Matthias Z., der wegen eines angeblich von ihm verübten Angriffs auf Neonazis bei dem die Opfer leicht verletzt wurden, wegen »versuchten Totschlags« über drei Monate inhaftiert worden war und später freigesprochen werden mußte. Diese Entwicklung macht es erforderlich, daß Antifaschisten und andere linke Organisationen gemeinsam gegen staatliche Repression agieren und eventuelle Differenzen hintanstellen. Das Motto »Solidarität ist eine Waffe« mag antiquiert klingen, ist aber aktueller denn je.
Im Jahr 2007 fand eine ganze Reihe von antifaschistischen Themen Beachtung bis in bürgerliche Kreise hinein. Zum Beispiel die Diskussion um die Mitgliedschaft der neuen Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel in der Roten Hilfe, die der strömungsübergreifenden Solidaritätsorganisation eher genutzt denn geschadet haben dürfte. Als großer Erfolg ist die »no NPD«-Kampagne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) für das Verbot der neofaschistischen Partei zu werten. Über 175000 Unterschriften wurden gesammelt und zahlreiche Jugendantifagruppen standen an der Seite der VVN. Zu nennen ist auch der Fall des im September wieder als Lehrer eingestellten Michael Csaszkóczy, gegen den wegen seines antifaschistischen Engagements zuvor ein jahrelanges Berufsverbot vollstreckt worden ist. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, daß sich Neofaschisten gemeinsam stoppen lassen: Antifaschisten aus verschiedenen Ländern verhinderten um den Jahrestag der Novemberpogrome 1938 einen Aufmarsch durch das jüdische Stadtviertel im tschechischen Prag.
Quelle
Junge Welt [27.12.07]
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Antifa 2.0 ? [07.02.08]
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Die antifaschistische Bewegung kann als die subversivste und dynamischste Strömung bezeichnet werden, die die Linke in der Bundesrepublik zu bieten hat. Auch an Chic mangelt es ihr nicht. Auf Jugendliche hat sie eine Sogkraft, von der linke Parteien und andere Organisationen nur träumen können. Daran hat sich auch 2007 nichts geändert. Ein Grund zum Feiern ist das angesichts der wachsenden Gefahr von rechts durch steigende Brutalität und steigenden Organisierungsgrad nicht. Die Ankündigung von Neofaschisten, die Ehrung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts im Januar in Berlin, und damit die größte Manifestation der Linken in diesem Land, stören zu wollen, unterstreicht die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit.
Aber seit dem Antifakongreß 2001 in Göttingen fehlt der Bewegung eine bundesweite Struktur. Zwar gibt es in der gesamten Republik Gruppen und Bündnisse, die die Neofaschisten in ihrem Umkreis im Visier haben und mit Demonstrationen und Aktionen auf sie aufmerksam machen. Ein Austausch und inhaltliche Diskussionen über Strategien finden allerdings selten statt. Das Ergebnis: Nach wenigen Jahren kehren viele der Bewegung den Rücken. Auf ein weiteres Problem machte das Antifaschistische Infoblatt (AIB) 2007 aufmerksam: Die Antifa erreicht in der Regel nur dann eine umfassende bundesweite Mobilisierung, wenn Eventcharakter und Erfolge progammiert sind. Ein Ereignis wird also nur dann zum Pflichttermin, wenn sich über die Jahre herumgesprochen hat, daß Action angesagt ist.
Ein Beispiel für diese Beobachtung ist Leipzig: Neonaziaufmärsche stoßen hier stets auf derart geballten Widerstand, daß für die Rechten kein Durchkommen ist. Bundesweit fahren Hunderte mit gecharterten Bussen und Bahnen in die Stadt, wenn sich der Kameradschaftsaktivist Christian Worch wieder einmal mit 50 »Kameraden« angekündigt hat. Bei zahlenmäßig und politisch relevanteren Ereignissen sieht die Gegenwehr häufig ganz anders aus: Genannt seien die teilweise von 2000 Neonazis frequentierten »Heldengedenken« im brandenburgischen Halbe, die alljährlichen Massenveranstaltungen von Alt- und Neonazis anläßlich der alliierten Bombenangriffe im Februar 1945 auf Dresden oder die von alten braunen Verbänden organisierten Gebirgsjägertreffen im bayerischen Mittenwald. Hier sind die Antifaschisten aus der näheren Umgebung häufig auf sich allein gestellt.
Wehren mußte sich die antifaschistische wie die gesamte linke Bewegung in diesem Jahr gegen zunehmende Repression, Polizeigewalt und staatliche Schnüffelaktivitäten. Zahlreiche 129-a-Verfahren wurden eingeleitet und gegen Hunderte Teilnehmer der Anti-G-8-Proteste im Sommer in Heiligendamm wurden Ermittlungen eingeleitet, bei denen rechtsstaatliche Prinzipien völlig außer acht gelassen wurden. Beispielhaft für staatliche Willkür war der Prozeß gegen den Berliner Antifaschisten Matthias Z., der wegen eines angeblich von ihm verübten Angriffs auf Neonazis bei dem die Opfer leicht verletzt wurden, wegen »versuchten Totschlags« über drei Monate inhaftiert worden war und später freigesprochen werden mußte. Diese Entwicklung macht es erforderlich, daß Antifaschisten und andere linke Organisationen gemeinsam gegen staatliche Repression agieren und eventuelle Differenzen hintanstellen. Das Motto »Solidarität ist eine Waffe« mag antiquiert klingen, ist aber aktueller denn je.
Im Jahr 2007 fand eine ganze Reihe von antifaschistischen Themen Beachtung bis in bürgerliche Kreise hinein. Zum Beispiel die Diskussion um die Mitgliedschaft der neuen Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel in der Roten Hilfe, die der strömungsübergreifenden Solidaritätsorganisation eher genutzt denn geschadet haben dürfte. Als großer Erfolg ist die »no NPD«-Kampagne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) für das Verbot der neofaschistischen Partei zu werten. Über 175000 Unterschriften wurden gesammelt und zahlreiche Jugendantifagruppen standen an der Seite der VVN. Zu nennen ist auch der Fall des im September wieder als Lehrer eingestellten Michael Csaszkóczy, gegen den wegen seines antifaschistischen Engagements zuvor ein jahrelanges Berufsverbot vollstreckt worden ist. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, daß sich Neofaschisten gemeinsam stoppen lassen: Antifaschisten aus verschiedenen Ländern verhinderten um den Jahrestag der Novemberpogrome 1938 einen Aufmarsch durch das jüdische Stadtviertel im tschechischen Prag.
Quelle
Junge Welt [27.12.07]
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